Ist es beim Pokern wichtiger, eine GTO oder ausbeuterische (exploitative) Strategie zu verfolgen? Die Antwort ist einfach:
Sie brauchen beides, um ein erfolgreicher Pokerspieler zu sein.
Das moderne Pokerspiel konzentriert sich hauptsächlich auf GTO-Strategien (Game Theory Optimal). Dennoch lässt sich großer Erfolg erzielen, wenn die psychologische Komponente des Spiels verstanden wird. Wenn Sie sich nicht mit den psychologischen Strategien am Pokertisch auseinandersetzen, maximieren Sie nicht Ihre Winrate.
Haben Sie schon einmal den Film Rounders gesehen (wenn das nicht der Fall sein sollte, dann wissen Sie bereits, was Sie heute Abend machen werden)? Sie werden sich erinnern, dass der Hauptprotagonist Mike McDermott (gespielt von Matt Damon) über Poker sagte: "Bei Texas Hold'em spielst Du nicht die Karten, Du spielst Deine Gegner."
Betrachten wir ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit, bei dem die psychologischen Aspekte scheinbar eine wichtige Rolle eingenommen haben. Die mittlerweile berüchtigte Hand zwischen Robbi Jade Lew und Garrett Adelstein im Live-Stream des Hustler Casinos.
Den Gegner und nicht die Karten spielen - Robbi gegen Garrett
Die besagte Hand fand bei Blinds von 100$/200$/400$ statt. Garrett raiste mit 7♣8♣ aus dem Big Blind Robbis UTG-Straddle von 800 $ auf 3.000 $, und sie callte mit J♣4♥.
- Der Flop kam: T♣9♣9♥, und Garret machte eine Bet in Höhe von 2.500 $. Robbi callte.
- Der Turn war die 3♥ und er feuerte erneut, dieses Mal 10.000 $. Robbi machte daraufhin einen Min-Raise auf 20.000 $.
- Garret ging für seine restlichen 109.000 $ All-in.
- Nach kurzem Überlegen callte sie.
Sie einigten sich darauf, es zweimal laufen zu lassen. Obwohl Adelstein als leichter Favorit galt, verpasste er beide Runouts. Und sie gewann einen riesigen Pot (den sie im Nachhinein an Adelstein zurückgab).
Diese Hand führte zu vielen Theorien und Kontroversen über ihren Denkprozess. Es wurde viel darüber diskutiert, ob bei dieser Hand etwas Ungewöhnliches passiert ist.
I read the man and make a hero call after he shoves on a turned brick card. Get over it.
— Robbi Jade Lew (@RobbiJadeLew) September 30, 2022
I’ll say it again like I’ve said it before: “I’m not playing nice in the sandbox anymore.”
Make it right @GmanPoker
Or don’t. #IDGAF
I’ve already moved on. I’ll make it back either way.
Robbi sagte etwas Faszinierendes und deutete an, dass psychologische Faktoren bei ihrer Entscheidung, zu callen, eine Rolle spielten.
Im Stream kann man sie sagen hören: "Es geht nicht darum, was ich habe, sondern darum, was ich glaube, was du nicht hast."
Sie sagte auch: "Du lässt mich das mit dir machen und du machst nichts dagegen."
Es ist schwer zu sagen, was sie zu diesem Zeitpunkt genau sagte. Aber es ist klar, dass sie die Hand nicht auf konventionelle Weise und keineswegs optimal gespielt hat. Später postete sie über die Hand auf Twitter.
Sie lud ihn zu einem Heads-Up-Duell ein, damit "die ganze Welt sehen kann, wie ich dich lesen kann". Wenn wir ihren Aussagen Glauben schenken, ist klar, dass sie die Psychologie für einen wesentlichen Bestandteil des Spiels hält.
Analyse des gegnerischen Spielers
"Wenn man den Gegner und sich selbst kennt, braucht man das Ergebnis von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, aber nicht den Feind, wirst du für jeden gewonnenen Sieg auch eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterlegen sein. -Sun Tzu, Die Kunst des Krieges. |
Nehmen wir an, Sie orientieren sich an der Aussage von Sun Tzu. In diesem Fall hat das Kennenlernen sowohl von sich selbst und auch von Ihren Gegnern oberste Priorität. Selbst Doyle Brunson stimmt dem zu!
Er ist berühmt für seine Aussage: "Poker ist Krieg. Die Leute tun so, als wäre es ein Spiel."
Erfolgreiche Spieler verbringen viel Zeit damit, Informationen über die Hände und den Spielstil ihrer Gegner zu sammeln. Der Grund dafür ist simpel: Es lassen sich keine genauen Schlüsse ziehen, wenn keine Basis vorhanden ist.
Wenn Sie sich an den Pokertisch setzen, besteht Ihre erste Aufgabe darin, Ihre Gegner zu beobachten. Fast alle Spieler fallen in vorhersehbare Muster. Es ist Ihre Aufgabe, ihre Tendenzen zu erkennen.
- Achten Sie zum Beispiel darauf, wie sie Draws spielen.
- Was machen sie mit ihren starken Händen? Was mit ihren schwachen Händen? Bluffen sie?
- Was sind ihre Tendenzen aus bestimmten Positionen heraus?
Spieler haben normalerweise spezifische Strategien. Es ist Ihre Aufgabe, diese Strategien zu erkennen, damit Sie ihre Vorhersehbarkeit ausnutzen können. Was ist, wenn Sie feststellen, dass ein Spieler nicht berechenbar ist? Das ist oft ein Hinweis darauf, dass er besser als der Durchschnitt ist. Daher sollten Sie bei Ihren Exploits vorsichtig sein und sich auf eine GTO-Strategie verlassen.
Vergessen Sie nicht, die mentale Verfassung Ihres Gegners zu beobachten:
- Zeigt er Nervosität, Angst, Tilt, Ärger, Unentschlossenheit, Zögern oder Frustration?
- Wie verhält er sich in einem suboptimalen mentalen Zustand?
- Wie wirkt sich das auf sein Spiel aus (wird er tighter oder spielt er eine größere Range?)
Sammeln Sie Informationen und erstellen Sie eine Datenbank in Ihrem Kopf zu den einzelnen Spielern an Ihrem Tisch
Beim Poker wächst die Fähigkeit, den Gegner zu lesen, mit der Erfahrung. Die besten Spieler müssen ihre Gegner nicht bewusst beobachten, weil sie daran gewöhnt sind, es zu tun. Sie sagen oft, dass sie einfach "wussten", dass ihr Gegner eine bestimmte Aktion ausführen würde.
Sie bezeichnen sich vielleicht sogar als "Gefühlsspieler". In Wirklichkeit greifen sie auf mentale Notizen zu den Aktionen, Reaktionen und Tendenzen ihres Gegners aus früheren Händen zurück.
Eine klassische psychologische Binsenweisheit besagt, dass vergangenes Verhalten der beste Indikator für zukünftiges Verhalten ist. Man kann die Handlungen eines Spielers nicht mit 100%iger Genauigkeit vorhersagen. Aber wenn Sie gesehen haben, dass er sich in der Vergangenheit ähnlich verhalten hat, wird er wahrscheinlich dasselbe wieder tun.
- Fragen Sie sich immer: Welche Erfahrungen habe ich mit diesem Gegner gemacht?
- Gibt es bestimmte Muster, die ich ausnutzen kann?
- Zeigen seine Aktionen, dass er die Poker-Grundlagen gut beherrscht?
- Wie ist sein allgemeiner Spielstil (tight, loose, aggressiv, passiv)?
- Spielt er das klassische Poker-ABC, oder ist er eher für ausgefallenere Plays zu haben?
- Hat er irgendwelche besonderen Betting-Lines oder Gewohnheiten?
Bitte denken Sie daran, dass es einfacher ist, Muster und Tendenzen zu erkennen, wenn Sie nur Beobachter und nicht aktive Teilnehmer am Geschehen sind.
Dies ist eine Fähigkeit, die Sie kultivieren müssen, während Sie aktiv spielen. Es erfordert ein hohes Maß an Gelassenheit, Erfahrung und Kompetenz, um ein ausgeprägtes Gespür zu entwickeln.
Die Rolle von GTO in der Psychologie des Spiels
Um die psychologischen Aspekte des Spiels gewinnbringend einsetzten zu können, müssen Sie die optimalen Strategien (GTO) in bestimmten Situationen verstehen. Das Verständnis des bestmöglichen Plays gibt Aufschluss darüber, was ein solider Gegner mit einer bestimmten Range bei einem spezifischen Runout tun könnte.
Sie können dann seine Aktionen gegen die optimale Lösung (Solver-Output) abwägen, um zu sehen, wo er möglicherweise Leaks in seinem Spiel hat, die Sie ausnutzen können.
- Wenn Sie keine Leaks finden, die Sie ausnutzen können, sollte eine GTO-Strategie Ihr standardmäßiger Ansatz sein.
- Eine GTO-Strategie sollte auch Ihr Standardverfahren sein, wenn Sie mit besseren Spielern an einem Tisch sitzen.
Wenn Sie sich in einem Cash-Game in dieser Situation befinden, sollten Sie sich so schnell wie möglich an einen anderen Tisch setzen. Andernfalls sollten Sie für die jeweilige Situation das optimale GTO-Play wählen.
Psychologie vs. Solver – Schlussfolgerung
Das Verständnis eines Gegners ist eine hervorragende Möglichkeit, um zu bestimmen, wann man von einer optimalen Strategie (GTO) abweichen sollte, um die Winrate zu maximieren. Das Schwierige daran ist, dass das Ausnutzen von mentalen Faktoren ein schwieriges Unterfangen ist. Es erfordert eine Menge Übung. Und selbst dann ist es keine exakte Wissenschaft, denn die Menschen sind in ihrem Verhalten unendlich variabel.
Sie können in diesem Bereich Erfahrungen sammeln, wenn Sie üben, sich zu überlegen, was Ihr Gegner wahrscheinlich vorhat.
- Fragen Sie sich bei jedem Spielzug Ihres Gegners, was die Motivation dahinter sein könnte.
- Versucht er möglicherweise mir eine Falle zu stellen oder mich zu einer bestimmten Reaktion zu bewegen?
- Welche Logik steckt hinter diesem Spielzug?
Wenn Sie Schwierigkeiten haben, Antworten auf diese Fragen zu finden, betrachten Sie die Sache aus Ihrer Perspektive. Das heißt, Sie stellen sich die Frage: Was würde ich an ihrer Stelle tun? Wenn Sie sich der Sache aus diesem Blickwinkel nähern, können Sie mehr Erkenntnisse gewinnen.
Sie können sich einen großen Vorteil verschaffen, wenn Sie die zukünftigen Spielzüge Ihres Gegners verstehen und vorhersagen können.